Schlagwort: debatte

  • „Die Zuspitzung rechter Diskurse trägt zur Normalisierung eines Politikverständnisses bei, das die Aufgabe von Politik nicht in der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen sieht, sondern in der emotionalen Panik über Themen, die als vermeintliche Ursachen von Problemen missinterpretiert werden: Migration, Feminismus, sexuelle Diversität und „Woke Culture“. Aber die Klimakatastrophe wird nicht durch ein Verbot von Gender-Sternchen gelöst, Wartezeiten auf Arzttermine werden nicht durch erhöhte Abschiebequoten verkürzt, und die Rezession wird nicht durch eine Beschwerdestelle für vermeintlich „linke“ Lehrerinnen und Lehrer beendet.“

    via Die unerträgliche Normalisierung von Hass und Spaltung | derstandard.at

  • „Das Handelsgericht gestand dem DÖW zwar zu, wissenschaftlich zu arbeiten, verwies in seinem Urteil aber auch auf mehrere politische Äußerungen vonseiten des Vereins. „Wer sich laufend an einer öffentlichen Debatte zu einem bestimmten Thema des allgemeinen Interesses und insbesondere politischen Themen beteiligt, betritt regelmäßig die politische Bühne und muss daher einen höheren Grad an Toleranz zeigen“, heißt es darin.“

    via FPÖ darf DÖW „pseudowissenschaftlich“ nennen | orf.at

    Was ist denn das für eine hirnrissige Urteilsbegründung? Man ist nicht wissenschaftlich, wenn man sich „mit einem bestimmten Thema“ an einer öffentlichen Debatte beteiligt? Hier dreht sich gerade eine ganze Armee im Grab um! Ich hoffe sehr, dass das DÖW hier in Berufung geht.

  • „Das Problem ist, dass viele Menschen das nicht erkennen und weiterhin unbewusst Teil dieses Systems bleiben. Sie denken, ihre Präsenz auf den Plattformen sei notwendig, um gegen Desinformation vorzugehen oder ihre Meinung zu verbreiten – ohne zu merken, dass sie genau das tun, was der Algorithmus und die Tech-Bros beabsichtigen. Indem sie weiterhin interagieren, kommentieren und teilen, stärken sie das System, das sie eigentlich ablehnen. Sie tragen zur Verbreitung von Inhalten bei, die das Geschäftsmodell der Plattformen unterstützen, anstatt es zu schwächen. Dieser Teufelskreis kann nur durch einen bewussten Rückzug und das Entziehen der Aufmerksamkeit durchbrochen werden.“

    via Warum das Argument, man müsse in sozialen Netzwerken bleiben, um Opposition zu leisten, völliger Unsinn ist | kuketz-blog.de

  • Karl Nehammer spricht von der Notwendigkeit der Mitte1, um die liberale Demokratie zu schützen. Soviel wiederholte Chuzpe von Seiten der ÖVP kann ich nicht unkommentiert stehen lassen. Nicht erst seit Christian Lindner hat der Begriff Liberalismus an Credits verloren, es ist ein schon lange gärender Prozess, der eigentlich mit Thatcher/Reagan begonnen hat. Ich möchte kurz aufdröseln, was den Begriff ‚liberal‘ derzeit so problematisch macht:

    Zunächst bringen die gegenwärtigen multiplen Krisen das liberale Bürgertum unter Druck. Corona, Ukraine und Klimawandel legen offen, dass unter liberal viel zu oft unbeschränkter Egoismus verstanden wird. Das betrifft die Fetischisierung von Mobilität (Diskussionen rund um das Autofahren, Flugzeugfliegen, etc.), die komplette Negation von Solidarität (Stichwort Masken) und das eigentümliche Verhältnis zu Putin (Diskussionen über Energiepreise). Hier hat sich in den Köpfen der Samen der 80er Jahre neoliberalen Gehirnwäsche durchgesetzt und bürgerliche Vernunft unter sich begraben.

    Aus dieser oben erwähnten Verirrung entstehen die falschen Antworten auf die innenpolitischen Fragen der Gegenwart, insbesondere in den Strategien, wie man auf den Erfolg des Faschismus reagieren sollte. Hier wird „mehr Profil in der Migrationsfrage“ gefordert, oder man besinnt sich auf den Begriff des Bildungsbürgertums (ebenso ausgehöhlt) und lamentiert über die ‚Bildungsferne‘ von Wähler*innen. Man will partout keine sozialen, wirtschaftlichen oder entwicklungspolitischen Entwicklungen analysieren, sondern verirrt sich in einer Diskursverschiebung nach rechts, die ignoranten Klassismus offenbart.

    Dieser Klassismus äußert sich in „Abstiegsängsten“, die den Blick nach oben trüben, aber dafür kräftig nach unten treten lassen. Die Verteidigung der ‚liberalen‘ Werte wird somit ein ekelhaftes Gezerre und unverständliches Festhalten am Status Quo. Damit macht sich das liberale Bürgertum zum konservativen Bodensatz für kommende autoritäre Blender.

    Alle diese Entwicklungen stoßen einen links-liberalen – so wie ich mich bezeichnen muss – permanent vor den Kopf. Sie offenbaren in der Selbstreflexion ebenso Fehler in der Einschätzung der Lage – bei mir z.B. das Verhältnis von Privileg zu Freiheit. Es ist aber vor allem die komplette Negation von Verantwortung und dem damit fehlenden Respekt gegenüber Leben, Umwelt, Geist und zukünftigen Generationen, der mich wirklich zornig werden lässt.

    Die bürgerliche Mitte in ihrem gegenwärtigen Zustand und in ihren derzeitigen politischen Erscheinungsformen von grün, über sozialdemokratisch bis bürgerlich-konservativ ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Ich rate daher allen jetzt beleidigten Liberalen zu einer fundamentalen Selbstreflexion. Ich bin nicht mehr Teil eurer Welt und ihr solltet darüber nachdenken, weshalb ihr diesen Sohn aus eurer Mitte verloren habt.

    1. https://orf.at/av/video/onDemandVideo4794 ↩︎
  • Die Social Media Landschaft ist wieder einmal in Bewegung. Wieder ist es ein November und wieder geht es um X bzw. Twitter. Diesmal betrifft es den Exodus (bekannt als eXit1) der Austro-Twitter-Blase. Für mich ist diese Bewegung spannend, weil ich vor zwei Jahren meinen eigenen Exodus praktiziert habe, dieser ging damals zu Mastodon2, ein weiteres soziales Netzwerk welches bei der heurigen Bewegung eher eine untergeordnete Rolle spielt. Das finde ich schade, v.a. weil Bluesky behauptet „förderiert“ zu sein, es aber nicht wirklich ist3, währenddessen die Plattformen, die auf dem ActivityPub-Protokoll laufen, es wirklich sind. Open source und nicht-kommerziell. Wenn ich von X fliehen würde, weil ein Oligarch seine Tassen im Schrank verloren hat, wäre das für mich schon ein relevantes Kriterium. Soll diesmal aber nicht so sein.

    Darüber will ich nicht lamentieren. Das passiert. Auf Mastodon gibt es Unverständnis, auf Twitter gibt es richtigen Zoff und bei Bluesky muss man sich selbstvergewissern. Was habe ich hier noch beizutragen?

    Mein Punkt ist, dass Bluesky nicht erst seit kurzem existiert und genauso wie Mastodon schon vor zwei Jahren ein ’sanctuary social network‘ gewesen ist, bei dem sich eigene Regeln herausgebildet haben, gibt es auch eine Bluesky-Kultur. Diese ist offenbar nicht von Netzpolitik-Foss-Nerds definiert worden und auch das müssen wir respektieren.

    Ist es nicht seltsam, dass die großen sozialen Netzwerke seit dem arabischen Frühling nicht mehr so richtig gut funktionieren. Das liegt vielleicht daran, weil es einen Split gegeben hat, der die Mobilisierungskraft der Netzwerke gelähmt hat. Ich beobachte, dass diese Segregation immer tiefer und kleinteiliger wird und ich finde das bedenklich, weil damit das Freiheits- und Netzwerk-Versprechen des Internets immer weiter zur Utopie verkommt.

    Ich bin ein große Anhänger des Fediverse, ich halte dies für die richtige Technologie für ein feines Internet der Zukunft. Aber es ist ebenso wichtig, alle möglichen Protokolle und Türen offen zu halten, um miteinander im Kontakt und Austausch zu bleiben. Es kann nicht sein, dass wir Menschen nur Netzwerk etablieren, um als Konsument:innen besser berechnet werden zu können. Wir brauchen das Netzwerk auch als zeitgemäßes ‚res publica4‚ für unsere Meinungs- und Willensbildung. Also freut Euch über neue Möglichkeiten und nutzt diese. Klärt auf und diskutiert gemeinsam, damit wir das wieder lernen können.

    1. https://www.derstandard.at/story/3000000245302/wolf-brodnig-klenk-wechseln-von-musks-hate-speech-schleuder-x-zu-bluesky ↩︎
    2. https://kolektiva.social/@schoenswetter/113508705774938278 ↩︎
    3. https://ingo.lantschner.name/post/2024-11-19-twitter-bluesky-journalisten/ ↩︎
    4. https://de.wikipedia.org/wiki/Republik ↩︎
  • Der Umstand, dass Nachrichtenportale (ehem. Zeitungen) durch die Logik der Internet-Aufmerksamkeits-Spanne kontinuierlich Neuigkeiten liefern müssen sorgt dafür, dass Meinungsumfragen einen überproportional hohen Wert in der Berichterstattung erhalten. Abgesehen davon, dass ich Umfragewerte für demokratisch nicht repräsentativ halte und sie (siehe Regierung Kurz) immer nur so gut sind, wie ihr Auftraggeber es erlaubt, sorgen sie auch für höchst fragwürdige Hypes. Sie machen Mücken zu Volkskanzlern und diskutieren Argumente, die nur auf Hypothesen basieren. Ich halte das für den politischen Diskurs sehr gefährlich, weil nicht mehr die Konfrontation der eigenen Meinung mit einer Anderen im Zentrum der Debatte steht, sondern die Meinung der Anderen zu einer fragwürdigen Position in der Zukunft. So sollte die Debatte nicht geführt werden. Auf diesen Spin fallen alle herein, hier ein Beispiel für solch einen Spin. Natürlich geht es um die Wahlen in den Vereinigten Staaten1, dort ist man ganz besonders Statistikverliebt.

    1. US-Wahlen Wo es für Kamala Harris darauf ankommt. SZ-Plus ↩︎
  • Kann mir jemand erklären, welches Fass zum Überlaufen gekommen ist, dass ausgerechnet der jahrelang schwelende Konflikt im Nahen Osten derzeit so ein mobilisierendes Thema geworden ist? Ein so erbitterter Kulturkampf, wie er mir bis jetzt nur selten untergekommen ist. Selbst das sonst so friedliche Fediverse ist hier gespalten! Natürlich bin ich hier eine beleidigte Leberwurst, weil es gab da in den letzten 10, 20 Jahren schon auch viele, viele andere Dinge, die zurecht für Empörung hätten sorgen können: , , , , , , , , and so on …

    Also, welcher Tropfen war das? Oder ist alles wirklich so kaputt, dass die Puppen nach der Pfeife tanzen?

  • Auf Interregnum erscheint ein spannender Beitrag zum aktuelle Krieg im Nahen Osten von Christopher Hütmannsberger. Dieser Beitrag ist lesenswert und ein valider Kommentar zur vermurksten Debatte im deutschsprachigen Raum. Ich will den Kommentar jetzt auch nicht wirklich kritisieren, sondern mehr ergänzen, weil ich in der Debatte um den Krieg im Nahen Osten sowohl im DACH Raum als auch im angelsächsischen Raum finde, dass ein wesentlicher Punkt immer unter den Tisch fällt.

    Wir sehen den Konflikt aus europäischer Perspektive und das ist wohl auch logisch so, wenn wir darüber hier diskutieren. Aber hier wird überhaupt nicht erwähnt, wie sich das jüdische Leben nach dem Zweiten Weltkrieg weiterentwickelt hat und dass sich im islamischen Raum die Kultur der Toleranz zu einer Kultur des Ausschlusses entwickelt hat. Juden aus Nordafrika und dem Mittleren Osten wurden vertrieben und nach Israel gedrängt.

    Dieser Umstand verschiebt das Gewicht des Arguments ‚the right to exist‘, weil während die Frage nach der Notwendigkeit eines Staates für anti-zionistische Juden und Jüdinnen in Europa und Amerika bequem gestellt werden kann, stellt sich die Frage für die sg. „arabischen Juden und Jüdinnen“ nicht. Und hiermit wird die Frage nach einem Kolonialismus Israels absurd.

    Um diesen Punkt möchte ich den guten Artikel ergänzen, weil ich in einem Punkt vollkomen d’accord mit der Aussage des erwähnten Artikels bin: Auge um Auge bringt keine Lösung. Auf keiner Seite. Der Teufelskreis kann nur durchbrochen werden, wenn man die Lust auf Rache austrocknet.

    Bezugnehmend auf den Artikel „Those days“ von Christopher Hütmannsberger auf Interregnum.