Ein zivilgesellschaftliches Bündnis bestehend aus der Gesellschaft für Freiheitsrechte, FragDenStaat, Innit, dem Republikanischen Anwält*innenverein, dem postmigrantischen Jurist*innen-Bund, dem Blog Volksverpetzer und Campact hat ein 800.000-Euro-Projekt angekündigt. Es soll ein Gutachten zur Verfassungsfeindlichkeit der AfD erstellen. Es soll im Gegensatz zur Verfassungsschutzeinstufung transparent erarbeitet werden, um den offenen gesellschaftlichen Diskurs zu einem möglichen AfD-Verbotsverfahren mit juristischen Fakten zu untermauern.
Schlagwort: verfassung
-
-
Nein, ich demonstriere1 hier nicht gegen ein Wahlergebnis. Das muss ich hier mit aller Deutlichkeit schreiben, weil Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbst verständlich sind. Soweit sind wir schon. Natürlich muss man ein Wahlergebnis, welches korrekt zustande gekommen ist, akzeptieren. Das ist eine wesentliche Spielregel in unserem gemeinsamen Gesellschaftsvertrag, der sich liberale Demokratie nennt. Diesen Vertrag will ich jetzt mal nicht in Frage stellen. Aber wir müssen uns diesen Vertrag nochmals gemeinsam ansehen, weil hier kursieren zu viele Missverständnisse.
Zunächst: Eine Wahl ist kein Wettbewerb. Die Wahl Van der Bellen gegen Hofer war die erste und bis jetzt letzte Wahl (seit meiner Wahlberechtigung, die 1993 begonnen hat), bei der ich für einen „Siegerkandidaten“ gestimmt habe. Sonst waren „meine“ Parteien immer recht klein, kamen vielleicht erst gar nicht in das jeweilige Parlament und waren jedenfalls niemals „Erste“. Das ist eben so. Ist auch nicht weiters schlimm, weil der Sinn einer Wahl, ist die Abbildung des Souveräns in doch recht großer Zusammenfassung. Die Parteien sind nichts anderes als Vorfilter, Zusammenfasserinnen und Struktur gebende, damit eine Menge von mehr als 6 Mio. Stimmen halbwegs sinnvoll in eine Repräsentanz im Parlament abgebildet werden kann. Ich halte das immer noch für sinnvoll so. Es ist rational.
Wenn ich nicht immer die Meinung der Mehrheit teile, dann ist es auch ein Prinzip, dass ich halt auch im Parlament nicht die Mehrheit besitze. Das ist mir klar und ich kann damit auch gut leben. Weil wir haben eine Verfassung. Diese Verfassung garantiert mir Minderheitenrechte, Menschenrechte und Fairness und dafür akzeptierte ich auch, dass 50%+ entscheiden dürfen, was 100% zu machen haben. Und hier komme ich zu den Missverständnissen:
Mit 28,85% der Wahlstimmen (relativ zu den abgegebenen Stimmen) und 22,42% (relativ zu der Anzahl an Wahlberechtigten) kann man sich schon mal nicht als „Volkskanzler“ deklarieren. Demut wäre hier angebracht, weil auch wenn man in die Position kommt, einen Koalitionspartner zu finden und vielleicht den Bundeskanzler stellen kann, muss man sich dieses Recht verdienen. Ich meine das Recht – und das ist quasi die Wandlung2 durch das Amt – den Souverän nach außen zu vertreten. Wie oben formuliert, werden in unserer parlamentarischen Demokratie aus 50%+ letztendlich 100% weil man in der Lage ist, Gesetze zu beschließen, die dann für alle gelten. Dadurch wird man auch zum Kanzler aller und die Übernahme dieser Rolle verlangt Respekt und Demut. Durchsetzen ist nicht angebracht, Fürsorge vielmehr.
Ich habe so meine Zweifel, ob Herbert Kickl sich dieses Vertrages bewusst ist, ob er weiß, dass seine Macht nur auf einem Einverständnis beruht, die Grundlage unseres Gesellschaftsvertrages3 ist. Wenn dieser Vertrag nicht mehr gültig sein sollte, muss ich als Minderheit auch nicht mehr akzeptieren, dass die Mehrheit über mich bestimmt.
- https://www.instagram.com/ajmf1004/p/DEno5w_xbEl/ ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Transsubstantiation ↩︎
- Die Crew des Volkstheaters hat hier die Schönheit unserer Verfassung gut auf den Punkt gebracht: https://www.instagram.com/reel/DEpUQgBsgXC/?igsh=X3lHX1p6c09y ↩︎