„Das Problem ist, dass viele Menschen das nicht erkennen und weiterhin unbewusst Teil dieses Systems bleiben. Sie denken, ihre Präsenz auf den Plattformen sei notwendig, um gegen Desinformation vorzugehen oder ihre Meinung zu verbreiten – ohne zu merken, dass sie genau das tun, was der Algorithmus und die Tech-Bros beabsichtigen. Indem sie weiterhin interagieren, kommentieren und teilen, stärken sie das System, das sie eigentlich ablehnen. Sie tragen zur Verbreitung von Inhalten bei, die das Geschäftsmodell der Plattformen unterstützen, anstatt es zu schwächen. Dieser Teufelskreis kann nur durch einen bewussten Rückzug und das Entziehen der Aufmerksamkeit durchbrochen werden.“
Kategorie: Netz
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Die Social Media Landschaft ist wieder einmal in Bewegung. Wieder ist es ein November und wieder geht es um X bzw. Twitter. Diesmal betrifft es den Exodus (bekannt als eXit1) der Austro-Twitter-Blase. Für mich ist diese Bewegung spannend, weil ich vor zwei Jahren meinen eigenen Exodus praktiziert habe, dieser ging damals zu Mastodon2, ein weiteres soziales Netzwerk welches bei der heurigen Bewegung eher eine untergeordnete Rolle spielt. Das finde ich schade, v.a. weil Bluesky behauptet „förderiert“ zu sein, es aber nicht wirklich ist3, währenddessen die Plattformen, die auf dem ActivityPub-Protokoll laufen, es wirklich sind. Open source und nicht-kommerziell. Wenn ich von X fliehen würde, weil ein Oligarch seine Tassen im Schrank verloren hat, wäre das für mich schon ein relevantes Kriterium. Soll diesmal aber nicht so sein.
Darüber will ich nicht lamentieren. Das passiert. Auf Mastodon gibt es Unverständnis, auf Twitter gibt es richtigen Zoff und bei Bluesky muss man sich selbstvergewissern. Was habe ich hier noch beizutragen?
Mein Punkt ist, dass Bluesky nicht erst seit kurzem existiert und genauso wie Mastodon schon vor zwei Jahren ein ’sanctuary social network‘ gewesen ist, bei dem sich eigene Regeln herausgebildet haben, gibt es auch eine Bluesky-Kultur. Diese ist offenbar nicht von Netzpolitik-Foss-Nerds definiert worden und auch das müssen wir respektieren.
Ist es nicht seltsam, dass die großen sozialen Netzwerke seit dem arabischen Frühling nicht mehr so richtig gut funktionieren. Das liegt vielleicht daran, weil es einen Split gegeben hat, der die Mobilisierungskraft der Netzwerke gelähmt hat. Ich beobachte, dass diese Segregation immer tiefer und kleinteiliger wird und ich finde das bedenklich, weil damit das Freiheits- und Netzwerk-Versprechen des Internets immer weiter zur Utopie verkommt.
Ich bin ein große Anhänger des Fediverse, ich halte dies für die richtige Technologie für ein feines Internet der Zukunft. Aber es ist ebenso wichtig, alle möglichen Protokolle und Türen offen zu halten, um miteinander im Kontakt und Austausch zu bleiben. Es kann nicht sein, dass wir Menschen nur Netzwerk etablieren, um als Konsument:innen besser berechnet werden zu können. Wir brauchen das Netzwerk auch als zeitgemäßes ‚res publica4‚ für unsere Meinungs- und Willensbildung. Also freut Euch über neue Möglichkeiten und nutzt diese. Klärt auf und diskutiert gemeinsam, damit wir das wieder lernen können.
- https://www.derstandard.at/story/3000000245302/wolf-brodnig-klenk-wechseln-von-musks-hate-speech-schleuder-x-zu-bluesky ↩︎
- https://kolektiva.social/@schoenswetter/113508705774938278 ↩︎
- https://ingo.lantschner.name/post/2024-11-19-twitter-bluesky-journalisten/ ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Republik ↩︎
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Die Wogen gehen derzeit hoch. Zunächst erreicht mich die Nachricht, dass das Projekt firefish auf der Kippe steht, heute lese ich, dass das troet.cafe nicht mehr lange überleben soll. Wenn das große Risikokapital ausbleibt und Instanzen aus Idealismus heraus betrieben werden, kann so etwas passieren. Das ist ‚part of the game‘. Dies ist einerseits die Erinnerung daran, als User/in nicht darauf zu vergessen, die Instanz, auf der man vor sich hinpostet, zu supporten. Im bin z.B. auch aus diesem Grund zu einer Instanz gewechselt, die es nur über Mitgliedsbeitrag gibt. Für mich ist das ein fairer Deal und es schützt auch ein wenig vor nicht erfüllten Erwartungen und Enttäuschungen.
Diese Entwicklung ist aber kein Argument für eine zentrale Struktur. Das schöne am förderierten Sozialen Netz ist, dass es diese Bewegungen gut vertragen kann. Meine Prognose ist sogar, dass diese Zersplitterung allein durch den Umstand, dass Instanzen nicht immer zuverlässig sind und weil es einfach geht, immer kleinteiliger werden wird. Die Entscheidung von WordPress, das ActivityPub-Protokoll in seinen Dienst als Standard-Einstellung zu implementieren wird hier – auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole – der entscheidende Gamechanger werden.
Wenn wir Glück haben und die Chance von den User/innen auch ergriffen wird, dann werden wir damit enden, dass es ganz viele eigene Instanzen gibt (bei wordpress ist das dann z.B. einfach nur ein Blog), die aber nicht vereinzelt agieren, sondern über das Fediverse miteinander verknüpft sind. Ich fände diese Entwicklung sehr begrüßenswert! Sie würden einem Mittelstand in den Netzdiensten einen neuen Schwung verleihen, die Monopole von großen zentralen Datensackgassen würden fallen und Informationskanäle und Vertriebswege würden diversifiziert und damit auch demokratisiert werden.
Die Neuigkeiten aus dem förderierten Netz sind also keine Hiobsbotschaften, sondern sind ein Hinweis auf eine Entwicklung die, wenn sie in die richtigen Kanäle gelenkt wird, sogar begrüßenswert ist: Internet.